Die Ergebnisse der
wissenschaftlichen Tätigkeit von M.W. Lomonossow
Wollen wir nun kurz die Wissenschaftsgebiete, auf den
Lomonossow arbeitete, und seine Grundwerke und Verdienste aufzählen. Es ergibt
sich die folgende Liste
Physik und Chemie:
Ausarbeitung einer Atomtheorie des Stoffbaus
Das Neue an seiner Theorie im Vergleich zu den Arbeiten von
Lomonossows Vorgänger ist die Anerkennung der objektiven Existenz der zwei
verschiedenen Formen von Stoffteilchen: des Atoms (nach seiner Terminologie -
des Elements) und des Moleküls (nach seiner Terminologie - des Korpuskels) als
eine Art Sammlung der Atome. Bereits in einer der ersten seiner Arbeiten "276
Notizen für Physik und für korpuskuläre Philosophie" trat Lomonossow gegen die
Ansichten von Gottfried Wilhelm Leibniz und seinen Anhängern auf, die
behaupteten, dass nichtmaterielle geistige Wesen allen Naturerscheinungen
zugrunde liegen. Lomonossow erklärte im obengenannten Werk: "... ich bin fest
überzeugt, dass diese mystische Lehre durch meine Beweise bis auf den Grund
vernichtet werden muss." Es sei hervorgehoben, dass Lomonossows Ideen über den
Bau der Körper aus Atomen die Weltwissenschaft um mehr als ein Jahrhundert
überholt haben.
Forschung zum Wesen der Elektrizität
Für seine Zeit war die folgende Entdeckung von Lomonossow
wichtig: die elektrischen Ladungen existieren in der Atmosphäre auch in
Abwesenheit von Gewittererscheinungen. Lomonossow war überzeugt, dass die
Ausnutzung der Elektrizität "die großen Hoffnungen zum menschlichen Wohlergehen
bringen wird". Das Leben hat diese Voraussicht des großen Gelehrten völlig
bestätigt.
Ausarbeitung der Lehre über die Wärme
Nach Lomonossows Ansicht, ist die Drehbewegung der den Körper
bildenden Teilchen die Ursache für die Wärme wobei die Temperatur, d.h. der
Wärmegrad, als Intensitätsmaß der Bewegung von Teilchen auftritt. In der
Dissertation "Das Nachdenken über die Ursachen für Wärme und Kälte" begründete
Lomonossow die molekular-kinetische Theorie der Wärme. Aus dieser Theorie folgt,
dass solch eine Temperatur existieren kann, bei der keine Wärmebewegung der
Stoffteilchen vorhanden ist. Diese Temperatur heißt der absolute Nullpunkt.
In derselben Arbeit kritisierte Lomonossow die
"Phlogistontheorie" (Theorie des "Wärmeerzeugers"), die damals in der
Wissenschaft herrschte. Es ist bemerkenswert, dass die wissenschaftliche
Vorstellung über die Wärme als eine Art der Bewegung erst in den 70er Jahren des
19. Jahrhunderts allgemeingültig geworden ist. Auf Grund der
molekularkinetischen Theorie der Wärme entstand die kinetische Theorie der Gase,
deren Hauptthesen Lomonossow in der Dissertation "Über die Erzeugung und die
Eigenschaften des Salpeters" (1748) dargelegt hatte.
Die von Lomonossow ausgearbeitete Theorie der Gase war ein
neues Wort in der Wissenschaft und wurde zur Basis für die weiteren
Forschungen im 19. Jahrhundert.
Den Gedanken, dass Wärme durch die Bewegung der kleinsten
Teilchen des Stoffes bedingt wird, haben bereits die antiken Philosophen
ausgesprochen. Im 17. Jahrhundert teilten ähnliche Ansichten fast alle
bedeutenden Physiker, unter ihnen Descartes, Guck, Boyle und Newton. Die weitere
Entwicklung des eigenständigen Teilgebietes der Physik „Wärme“ im 17. und 18.
Jahrhunderten führte aber fast überall zur Anerkennung der Existenz des
„Phlogistons“ (des "Wärmestoffes"), eine hypothetische gewichtslose Flüssigkeit
oder einer unsichtbaren Substanz, die angeblich alle Wärmeerscheinungen
verursacht.
Daniel Bernoulli versuchte die molekular-kinetischen Ansichten
zu begründen. Dieser Versuch wurde aber von Seiten der westeuropäischen
Gelehrten nicht unterstützt. Dies war die Sachlage in der Wissenschaft, als
Lomonossow seine Forschungen der "Gründe der Wärme und Kälte" begonnen hatte.
Die Lehre über das Licht und über die Farbe
In seinem Werk "Das Wort über die Entstehung des Lichts, das
eine neue Theorie über die Farben darstellt" hat Lomonossow die theoretischen
Folgerungen aus den Ergebnissen seiner Untersuchungen der Lichterscheinungen
gezogen. Das "Wort" hat er im Juli 1756 in der öffentlichen Versammlung der
Akademie der Wissenschaften präsentiert. Wie auch Descartes nimmt Lomonossow die
Konzeption an, die den Weltraum als einen mit Äther gefüllten Raum betrachtet.
In diesem Ätherraum ereignen sich alle Lichterscheinungen.
Die Schwingungsbewegungen der kleinsten Teilchen des Äthers
verursachen die Lichterscheinungen. Heute scheinen die Ansichten Lomonossows auf
der Entstehung des Lichts ziemlich naiv zu sein, aber sie wurden zur wichtigen
Stufe in der Entwicklung der Lichtlehre. Lomonossow hat zum ersten Mal den
Versuch gemacht, eine Verbindung zwischen den in der Natur erscheinenden Wärme-,
Licht- und Elektroprozessen herzustellen.
Chemische Forschungen
Im Laufe von vielen Jahren war Chemie die Hauptbeschäftigung
Lomonossows. Anfang des 18. Jahrhunderts hatte sich die Chemie noch nicht als
selbstständige Wissenschaft herausgebildet.
Allgemeine Lehrsätze, die die gesamten Kenntnisse vereinigen
könnten, wurden noch nicht ausgearbeitet, die quantitativen Forschungsmethoden
und chemische Reagenzien von erforderlicher Reinheit waren nicht vorhanden. Die
sogenannte Phlogistontheorie konnte jeden denkenden Experimentator nur auf ein
totes Gleis schieben. Hier sind Lomonossows Worte von 1743 über den Zustand der
Chemie: "Der wichtigste Teil der Naturwissenschaft ist immer noch von der tiefen
Finsternis verhüllt und durch seine eigene Riesengröße unterdrückt. Für uns sind
die wirklichen Gründe der wunderbaren Erscheinungen verheimlicht, die von der
Natur durch ihre chemischen Prozesse produziert werden". Lomonossow hat als
erster in der Geschichte eine recht volle und korrekte Begriffsbestimmung der
Chemie als Wissenschaft ausgesprochen. Damals war es üblich Chemie als eine
Kunst zu betrachten. Das tiefe materialistische Verständnis für die Natur und
für die natürlichen Erscheinungen ermöglichte es Lomonossow zum ersten Mal in
der Geschichte der Wissenschaft eine klare Formulierung des Satzes der Erhaltung
der Materie und der Bewegung zu prägen. Der Gedanke daran, dass ein Stoff
überhaupt nicht entstehen und nicht verschwinden kann und dass seine Menge im
All konstant bleibt, wurde schon längst ausgesprochen. Diese Idee wurde von
Philosophen des 17. und des 18. Jahrhunderts als Axiom angenommen.
Aber niemand vor Lomonossow erachtete diese These als Gesetz,
welches der Chemie zugrunde liegt. 1748 formulierte Lomonossow in einem Brief an
Leonhard Euler
die Grundlagen dieses Gesetzes. Hier ist seine Formulierung: "Die in der Natur
vorkommenden gesamten Änderungen erfolgen solcherweise, dass wenn Etwas zu Etwas
zugegeben wurde, so wird Das von etwas Anderem weggenommen werden. So viel Stoff
wie zu einem Körper zugegeben wird, soviel verliert ein anderer Körper. so viele
Stunden ich zum Schlafen ausnutze, soviel nehme ich vom Wachen weg. Da es das
allgemeine Naturgesetz ist, gilt es auch für die Bewegungsregeln".
Nach der Lomonossows Vorstellung bilden Chemie und Physik das
untrennbare Ganze. Lomonossow schrieb: "Ein Chemiker ohne Kenntnisse der Physik
ist einem Menschen ähnlich, der alles durchs Befühlen suchen muss. Und diese
zwei Wissenschaften sind dermaßen miteinander verbunden, dass die eine ohne die
andere vollkommen nicht sein kann". Lomonossow legte den Grundstein zur
Entwicklung der physikalischen Chemie, indem er alle in seiner Zeit erfüllbaren
Experimente und Forschungen durchführte. Nach seiner Bestimmung „ist die
physikalische Chemie eine Wissenschaft, die auf Grund der physikalischen
Prinzipien und Experimente erklärt, was in den gemischten Körpern bei den
chemischen Operationen entsteht.“
Das Ziel der physikalischen Chemie, nach Lomonossow, ist das
Erlernen der chemischen Umsetzungen mit physikalischen Methoden. Dem großen
Lomonossow gehört der Verdienst, das konkrete Programm der chemischen
Forschungen auf eine neue physikalisch-chemische Basis gestellt zu haben. Er
selbst kam nur dazu einen kleinen Teil der von ihm geplanten Arbeiten zu
erledigen. Er untersuchte die Einwirkung von hohen und niedrigen Temperaturen
und des Drucks auf Stoffe, führte Experimente im Vakuum aus und erforschte die
Erscheinungen der Viskosität, der Kapillarität und der Kristallisation. Außerdem
beobachtete er die Bildung von Lösungen, die Lösbarkeit unter verschiedenen
Verhältnissen sowie die Lichtstrahlenbrechung und die Wirkung der Elektrizität
in den Lösungen.
Die in seinen Werken über Physik und Chemie enthaltenen
wissenschaftlichen Ideen überholten ihre Epoche auf mehrere Jahrzehnte. Erst in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ermöglichte es der wissenschaftliche
Fortschritt in Russland, die ganze Wichtigkeit der Werke von diesem großen
Gelehrten endlich zu begreifen und zu schätzen.