Der Weg in die Wissenschaft.
Aber zuerst einige Worte darüber, was die Petersburger
Akademie der Wissenschaften damals darstellte.
Lomonossow
kam an diese höhere wissenschaftliche Institution Russlands im Januar 1736, als
diese das zweite Jahrzehnt ihrer Tätigkeit begann. Die Gründung der Akademie der
Wissenschaften wurde von Peter I. initiiert. Die erste öffentliche Sitzung der
Akademie fand am 27. Dezember 1725, d.h. weniger ein Jahr nach dem Tode Peters
des Großen, statt. Die wichtigsten Aufgaben der Akademie waren folgende:
Durchführung der wissenschaftlichen Forschungen, Ausbildung der
wissenschaftlichen Kader, Entwicklung der Aufklärung in Russland sowie
Ausführung von dringenden staatlichen Aufgaben. Der Akademie unterstanden das
Gymnasium und die Universität. Die Petersburger Akademie spielte eine führende
Rolle im kulturellen Leben des Landes. Sie verfügte über zahlreiche Gebäude,
wovon bis heute das Gebäude der Raritätenkammer (russisch sog. Kunstkamera)
erhalten geblieben ist. Es wurde 1728 gebaut.
In diesem Gebäude befanden sich das Naturwissenschaftliche
Museum, das Kabinett der Mineralogie, die Bibliothek, der Anatomiesaal, Teile
des Kabinetts für Physik sowie die Sternwarte.
Mitte der 30er Jahre, als Lomonossow an die Akademie der
Wissenschaften kam, wurde die Tätigkeit der Akademie wesentlich erschwert. Das
geschah wegen der politischen Reaktion, welche im Land begonnen hatte. Die
wissenschaftlichen Forschungen kamen teilweise zum Stillstand. Die
Weiterentwicklung des großen Landes forderte viele Spezialisten für verschiedene
Zweige der Wirtschaft. 1735 entstand die Notwendigkeit für die Zweite Expedition
nach Kamtschatka zwei zusätzliche Professoren aus der Akademie der
Wissenschaften zu schicken. Der eine musste Fachmann in Astronomie und
Geographie sein, der andere musste gute Kenntnisse über Naturgeschichte, Chemie
und den Bergbau besitzen. Es stellte sich heraus, dass es damals in der Akademie
solche Spezialisten nicht gab. Die Akademieleitung beschloss dieselben
Spezialisten aus dem Ausland einzulanden. Damaliger Präsident der Akademie der
Wissenschaften Baron I. Korf wandte sich an den deutschen "gelehrten
Bergphysiker" I. F. Henkel in die Stadt Freiberg mit der Bitte, die
entsprechenden deutschen Spezialisten zu empfehlen. Bald aber berichtete Henkel,
dass er in Deutschland keinen in Bergbauwissenschaft erfahrenen Chemiker kennt.
Gleichzeitig empfahl Henkel dem Präsidenten Korf einige junge
Leute für anderthalb Jahre nach Freiberg zu schicken, die bereits die notwendige
Bildung haben sowie Latein und Deutsch beherrschen, damit sie die Metallurgie
und den Bergbau erlernen könnten. Der Akademiepräsident beschloss, unter
Zustimmung des Kabinetts, drei Studenten, unter denen auch Lomonossow war, nach
Deutschland zu schicken. Für den künftigen genialen Gelehrten näherte sich die
letzte Etappe des schwierigen Weges in die Wissenschaft - der Unterricht in
Deutschland. Die bis zur Abreise nach Deutschland verbliebene Zeit nutzte
Lomonossow zum Erlernen der Naturwissenschaften und der deutschen Sprache. Da
die Ausbildung der Studenten in den allgemeinbildenden Fächern ungenügend war,
wurde beschlossen die Studenten zuerst an die Marburger Universität zu schicken.
Nach der Ausbildung in Marburg sollten die Studenten nach Freiberg zu Professor
Henkel kommen. Im September 1736 haben Lomonossow und seine Kollegen die
Schiffsreise aus Kronstadt nach Deutschland angetreten. Der damalige Schüler der
Moskauer Slawisch-griechisch-lateinischen Akademie wurde zum Studenten der in
ganz Europa bekannten Marburger Universität.
Die 1526 gegründete Universität gliederte sich im 18.
Jahrhundert in die theologische, medizinische, philosophische und juristische
Fakultät.
Nach der Ankunft in Marburg kamen die russischen Studenten mit
einem Empfehlungsschreiben zu Professor Christian Wolf, der damals die
Universität leitete. Wir halten es für unsere Pflicht, unseren Lesern über
diesen würdigen Mann wenn auch nur in kurzen Worten zu berichten. Christian Wolf
war einer der bekanntesten Wissenschaftler jener Zeit. Er hat an der Gründung
der Petersburger Akademie der Wissenschaften teilgenommen und wurde zum
Ehrenmitglied der Akademie gewählt. Er zeichnete sich durch seine vielseitigen,
fast enzyklopädischen wissenschaftlichen Kenntnisse aus. Das ganze gebildete
Europa kannte damals seinen Namen.
Wolf übernahm alle Sorgen für die Unterbringung der
angekommenen russischen Studenten in der Stadt Marburg. Er hat das
Unterrichtsprogramm für die Studenten analysiert und genauer aufgestellt. Mit
Hilfe von Christian Wolf haben sich die russischen Studenten den
Unterrichtsverhältnissen in der Marburger Universität rasch angepasst.
Die Marburger Universität besaß keine Wohnräume für die
Unterbringung von Studenten. Deshalb mussten die Studenten die Privatwohnungen
in der Stadt mieten. Lomonossow war zur Untermiete in die Wohnung der Witwe
eines Marburger Bierbrauers Katharina-Elisabeth Zielch gezogen. Zwei Jahre sind
vorbei und ihre jüngere Tochter Elisabeth-Christina wurde zur Frau von
Lomonossow. Er hat mit ihr bis zu seinem letzten Tagen glücklich gelebt.
An der Marburger Universität hat Lomonossow den
Vorlesungszyklus in theoretischer Chemie des Professors J.G. Duising und die
Vorlesungen des Professors Ch. Wolf in Mechanik, Hydrostatik, Aerometrie,
Hydraulik, theoretischer Physik und Logik gehört. Er beschäftigte sich auch mit
der experimentalen Chemie. Er zeigte außerdem ein großes Interesse für
Mineralogie, Botanik und Zoologie. Weiterhin gab es in dem Unterrichtsprogramm
die Vorlesungen zu Literatur und Rhetorik. Lomonossow beherrschte Deutsch und
Französisch.
In Marburg begann Lomonossow seine persönliche Bibliothek zu
komplettieren. Auffallend ist die Vielfalt von seinen Interessen. Er sammelte
Bücher über Chemie, Physik, Medizin, fast alle Werke von Ch. Wolf, schöne
Literatur, Bücher von antiken Autoren, fremdsprachliche Wörterbücher usw.
Die Leitung der Petersburger Akademie der Wissenschaften
kontrollierte ständig den Studiumsverlauf der russischen Studenten und stand in
regulärem Briefwechsel mit Professor Ch. Wolf. Jedes Halbjahr schickte
Lomonossow seine Bericht und ersten wissenschaftlichen Werke nach St.
Petersburg. Professor Wolf war mit den Erfolgen von Lomonossow sehr zufrieden
und zeichnete ihn unter anderen Studenten aus.
1738 teilte er in Petersburg mit: "Herr Lomonossow hat
anscheinend den hellsten Kopf unter ihren (den Studenten - W.K.), bei gutem
Fleiß könnte er auch viel erlernen, die große Lust und den großen Wunsch zum
Lernen zeigend."
Das Leben der russischen Studenten im Ausland war nicht
leicht. Das Ausbildungs- und Unterhaltsgeld für die Studenten ging aus
Petersburg nur mit Verzögerungen und nicht vollständig ein. Deshalb waren die
Studenten den Kreditoren stark verschuldet und litten Not, weil sie oft auf dem
trocknen saßen.
Anfang 1739 teilte Ch. Wolf in Petersburg mit, dass die
russischen Studenten die vorgesehene Lektionsreihe völlig gehört hatten und die
Dissertationen selbstständig aufsetzen. Darüber hinaus besuchen Lomonossow und
Reiser auch den Mathematikkursus. Bald darauf ist die Anordnung aus Petersburg
eingetroffen, dass die Studenten sich zur Abreise nach Freiberg vorbereiten
sollten, um dort Metallurgie und Bergbau zu studieren. Gleichzeitig wurde Henkel
benachrichtigt, dass drei russische Studenten bald zu ihm nach Freiberg kommen
würden.
Schwermütig nahm Lomonossow Abschied von der Stadt, wo er fast
drei nicht leichte aber dennoch glückliche Jahre verbracht hatte. In Marburg
verblieb seine junge Ehefrau, die bald ein Kind zur Welt bringen sollte.
Viele Sorgen haben die russischen Studenten dem Professor Wolf
bereitet. Ungeachtet dessen hat er sie mit großer Herzlichkeit nach Freiberg
begleitet. Er hat jedem Studenten ein Zeugnis über ihre Lehrerfolge während des
Studiums in der Marburger Universität ausgehändigt.