Der
große französische Mathematiker, Physiker und Philosoph Rene Descartes wurde
am 21. März 1596 in kleinem Städtchen La-Ge, Provinz Tourene, geboren. Das
Leben von Descartes war ziemlich kurz und wurde durch manche dramatische
Ereignisse gekenntzeichnet. Solche Ereignisse begannen sofort, nachdem der
kleine Rene das Licht der Welt erblickt hatte. Einige Tage nach der
Entbindung starb seine Mutter. Das Kind blieb am Leben, aber seine schwache
Gesundheit zeigte sich noch lange als trockener Husten und blasse
Gesichtsfarbe.
Rene Descartes stammte aus einer verarmten adeligen Sippe. Seine Kindheit
verbrachte Rene in der Provinz Tourene, die durch ihre Gärten, Fruchtbarkeit
sowie mildes Klima gekennzeichnet wurde. Mit 16 Jahren beendete Descartes die
Jesuitenschule in Enjou. Es ist verwunderlich, aber das Ergebnis des Lernens
erwies sich als völlig unverhofft. Der Junge mit dem ausschließlich wißbegierten
und scharfen Verstand verlor die Lust, jegliches Wissen zu beherrschen. Anstatt
der Wissendurst bekam er plötzlich den Abscheu vor den Wissenschaften.
Rene hörte die wissenschaftlichen Studien auf und widmete die ganze Zeit der
Reitkunst und dem Fechten. Damals war Descartes an die siebzehn. Sein Denken
aber war nicht eingeschlafen. Der schöpferische Verstand verwandelte schnell
seine verschiedene Eindrücke in die Verallgemeinerungen und Gesetze. Als
Ergebnis seines Vergnüges am Fechten erschien die Abhandlung "Traktat über das
Fechten".
Im Frühling 1613 kam Rene nach Paris. Der junge Adliger brauchte den
Weltglanz zu gewinnen sowie nützliche Verbindungen anzuknüpfen. In Paris hat
Rene nicht eine reizende Pariserin sondern den gelehrten franciskaner Mönch
Mersaine und den Mathematiker Mydorge kennengelernt. Der gelehrte Mönch Mersaine
war der Autor des überaus zweideutigen Kommentars zur Schöpfungsgeschichte, dem
Bestandteil der Bibel. Beim Lesen dieses Kommentars schüttelten die frommen
Katholiken den Kopf.
Für eine kurze Zeit kommt Descartes zu einer Gesellschaft "der goldenen
Jugend", er führt ein ungebundenes Leben und begeistert sich für das
Kartenspiel. Solch ein Leben dauert aber nicht lange. Nach anderthalb Jahren des
ungebundenen Lebens geschah eine unerwartete Wende der Lebensführung von
Descartes.
Heimlich von seinen Freunden und den pariser Verwandten ist Rene in ein
abgeschiedenes Häuschen in der Vorstadt Saint Germen umgezogen. Descartes schloß
sich hier mit seinen Dienern und vertiefte sich in die Erlernung der Mathematik,
hauptsächlich der Geometrie und der Analyse der Alten.
In dieser freiwilligen Einkerkerung verbrachte Descartes fast zwei Jahre. Als
er an die einundzwanzig war, beschloß er aus Frankreich wegzufahren, um sich die
Welt anzusehen. Damit hat sein Wanderleben begonnen. Später schrieb Descartes,
er wollte "das große Buch der Welt lesen, die Höfe und die Armeen sehen, mit den
Leuten von verschiedenen Sitten und Stellungen in Berührung kommen, allerlei
Erfahrungen sammeln, sich in der Begegnungen prüfen, die durch des Schicksals
Fügung gescheen könnten, und sich überall alle getroffenen Gegenstände
überlegen."
Das Lesen des "großen Buches der Welt" begann Descartes damit, dass er 1617
die Uniform des Freiwilligen der niederländischen Armee angezogen hatte. Er
wohnt jetzt in kleiner Stadt Brede. Er verzichtet auf das Soldatengehalt, um von
allen Dienstpflichten frei zu sein. Er geht nicht einmal zu Paraden. Für einen
einfachen Soldaten wären solche Dienstbedingungen wahrhaftig nicht denkbar.
Descartes sitzt zu Hause und studiert Mathematik. Die Gewohnheit an das
einsiedlerische Leben hat er in der pariser Vorstadt Saint Germen angenommen.
Und das brachte gute Früchte: im Endergebnis wurde Descartes einer der droßen
Mathematiker seiner Zeit.
In seinem Tagebuch gibt es folgendes Aufschreiben: "Am 10. November 1619
begann ich die Grundlagen der wunderbaren Entdeckung". Die Forscher der Werke
von Descartes haben keinen Zweifel darüber, dass unter dieser "wunderbaren
Entdeckung" ist die Entdeckung von Grundlagen der analytischen Geometrie zu
verstehen. Das Wesentlichste der analytischen Geometrie besteht in der Anwendung
von Algebra in Geometrie und umgekehrt - Geometrie in Algebra. Jede Kurve kann
durch eine Gleichung mit zwei Variablen dargestellt werden. Und umgekehrt-jede
Gleichung mit zwei Variablen kann durch eine Kurve dargestellt werden. Die
Entdeckung war vor großer Bedeutung nicht nur für Mathematik, sondern auch für
alle Naturwissenschaften, die es mit den präzisen Größen und den Methoden für
deren Berechnungen zu tun haben. In der Geschichte der Mathematik hat diese
Entdeckung eine neue Epoche eingeleitet.
Das Wandern in Europa dauerte an. Zusammen mit der Armee besuchte Descartes
zuerst Prag, dann Ungarn und Brüssel. 1623 erscheint er in Paris, dann wandert
er wieder in Europa.
1625 kehrt Descartes in Frankreich zurück, aber bald fährt er wieder weg nach
Holland, um seinen zahlreichen Bekannten zu entgehen und sich ruhig an die
Wissenschaft zu machen. Dem Descartes gefiel der Lebensstil des tätigen
holländischen Volkes sowie die religiöse Toleranz der Gesellschaft.
Anfangs arbeitet Descartes in Holland an dem Traktat "Über die Gottheit", der
er bereits in Paris begonnen hat. Bald aber hört er damit auf und fängt an, die
Naturwissenschaft zu studieren.
1629 beobachtete man in Rom ein seltenes Phänomen: um die Sonne erschien fünf
falshe Sonnen (Parheliumen). Diese Naturerscheinung erweckte bei Descartes
Interesse für Optik und für Studium des Regenbogens. Der Gelehrte sucht die
Ursache der Parheliume in der Erscheinung der Lichtbrechung und der
Lichtwiderspiegelung. Außer der Optik erlernt er in dieser Zeit auch Astronomie
und Medizin, genauer zu sagen Anatomie. Descartes studiert die Anatomie nicht
nur mit Hilfe von Atlassen und Büchern. Er selbst anatomiert die Versuchstiere.
Er will seine mathematische Methode in diesen Wissenschaften anwenden und daraus
erwartet er gute Ergebnisse.
Mitte 1633 teilte Descartes dem Mercenne mit, dass er den Traktat "Über die
Welt" fast beendet und bis zum Herbst aufgeschoben hatte, um dann endgültig
fertigzumachen. Bevor er sich an die Arbeit machte, wollte er vorläufig das Werk
von Galilei "Dialoge über die Weltsysteme" kennenlernen. Er hat um das Werk bei
seinen Freunden in Leiden und Amsterdam angefragt, aber es war nicht gelungen,
das Werk zu erhalten. Descartes bekam von seinen Freunden die überraschende
Mitteilung davon, dass die Galilei's "Dialoge" im Juli desselben (1633) Jahres
nach dem Urteil des Inquisitionsgerichts verbrannt wurden, und der hochbetagte
Autor der "Dialoge" trotz dem Beistand von seiten der einflußreichen Personen
anfangs zur Einkerkerung ins Inqusitionsgefängnis verurteilt wurde. Dann wurde
Galilei unter Hausarrest in einem Dorfhaus gestellt, wo er drei Jahre lang
einmal in der Woche die reuevollen Psalmen lesen müsste.
Diese schreckliche Neuigkeit brache Descartes zur Panik, so dass angsterfüllt
wollte er sogar seine Manuskripte ins Feuer werfen. Da ist nichts zu machen,
auch die großen Denker das Angstgefühl empfinden können.
1634 hat Descartes einen Entwurf seiner Studie "Über den Menschen und die
Entstehung der Leibesfrucht" aufgesetzt. Es ist interessant, dass Descartes in
jener Zeit die Möglichkeit hatte, diese biologische Erscheinung unmittelbar zu
beobachten, weil 1635 seine Tochter Francina geboren wurde. Die Auskünfte über
das Leben dieses Kindes sind sehr knapp. Gleichzeitig aber hat Descartes die
Einzelheiten beschrieben, über die man üblicherweise verschweigt. Zum Beispiel
lesen wir in einem seiner Bücher eine solche Notiz: "Am 15. Oktober 1634
ereignete sich die Empfägnis". Über die Francina"s Mutter gibt es keine Angaben,
weil es sich höchstwarhrscheinlich um ein flüchtiges Verhältnis handelt.
Die romantischen Anfälle waren kaum für die Descartes's Natur
charakteristisch. Deshalb vermutet sein Biograph Megaffi nicht ohne Grund, dass
Francina bloß infolge der Descartes's Wißbegier geboren wurde.
Nichtsdestoweniger aber fühlte Descartes eine zärtliche Anhänglichkeit seiner
kleinen Tochter gegenüber. Es war für ihn ein schwerer Schlag, als Francina 1640
an Scharlach starb.
Wie ist doch weiteres Schicksal des Descartes's Traktats "Über die Welt"? Im
Juni 1637 erschien Descartes's Buch "Nachdenken über die Methode", das die
harmlosen Abschnitte aus der "Welt", wie "Über das Licht" (Dioptrik), "Über die
Methode" und einen Teil von neuem geschriebene "Geometrie" enthielt. Das war ein
bedeutendes Ereignis in der Wissenschaftgeschichte, denn die Elemente der neuen
Weltanschauung entstanden und der Weg zur weiteren Entwicklung des menschlichen
Gedankens nochmals sichtbar wurde.
Natürlich verstand Descartes die große Bedeutung und die Allgemeinheit der
von ihm entdeckten Methode der Analyse, aber er beeilte sich nicht, andere
Gelehrten über die Methode in Kenntnis zu setzen. Er verfasste seine Geometrie
absichtlich verwirrt, damit, wie er sagte, "die Neider keine Möglichkeit haben,
zu behaupten, dass sie das alles schon längst wussten". Zum Beispiel hat
Descartes bei Beschreibung der Varianten von Lösungen der schwersten Aufgaben
die Analyse weggelassen und nur geometrische Konstruktionen hinterlassen.
Jetzt wissen wir, dass auch die großen Denker nicht immer großmütig sind. Die
anderen Abschnitte der "Methode" wurden mehr populär und verständlicher für den
Leser geschrieben.
In der "Geometrie" (1637) operiert Descartes zum erstenmal mit Begriffen der
Variable und der Funktion. Die Variable wurde von Descartes in der doppelten
Form dargestellt: als eine Strecke von der variablen Länge und der stetigen
Richtung - die laufende Koordinate des Punkts, der mit seiner Bewegung eine
Kurve umschreibt, und als eine ununterbrochene Zahlenvariable, die die ganze
Gesamtheit der Zahlen umläuft, die zum zahlenmäßigen Ausdruck dieser Strecke
dienen.
Die doppelte Gestalt der Variable bedingte die gegenseitige Durchdringung der
Geometrie und der Algebra. Descartes bestimmte die wirkliche Zahl als das
Verhältnis der beliebigen Strecke zur einzelnen, zwar hatte erst Newton solche
Bestimmung formuliert. Die negativen Größen deutete Descartes als negative
Ordinaten. Descartes verbesserte das Bezeichnungssystem, indem er die Zeichen
der Variablen (x, y, z) und der Koeffizienten (a, b, c ...), sowie die
Bezeichnungen der Potenzen eingeführt hatte. Diese Bezeichnungen wurden später
allgemeingültig, dabei blieb die Schreibweise der Formel bei Descartes fast ohne
Änderungen bis heute.
Descartes legte den Grundstein für Untersuchungen der einigen Eigenschaften
von Gleichungen, formulierte die Vorzeichensregel zur Bestimmung der Zahl von
positiven und negativen Wurzeln (sog. Descartes's Regel) und rollte das Problem
der Grenzen von wirklichen Wurzeln auf.
Die Haupterrungenschaft Descartes's in der analytischen Geometrie ist die von
ihm geschaffene Koordinatenmethode. In seiner "Geometrie" berichtete Descartes
die Methode von Herstellung der Normalen und der Tangenten zur krummlinigen
Oberfläche (in Zusammenhang mit den Forschungen der Linsen). Er hat diese
Methode zu einigen Kurven der vierten Ordnung (sog. Descartes's Ovale)
angewendet.
Obwohl Descartes die Grundlagen der analytischen Geometrie geschaffen hat,
machte er selber auf diesem Gebiet nur wenige Schritte: die negativen Abszissen
und die Probleme des dreidimensionalen Raums hat er überhaupt nicht untersucht.
Nichtsdestoweniger übte seine "Geometrie" einen riesigen Einfluß auf die
Entwicklung der Mathematik aus.