1641 erschien sein Werk "Die Nachdenken über die erste Philosophie",
und 1644 verlegte Descartes das umfangreiche Buch unter dem Titel "Die
Grundlagen der Philosophie". Dieses Buch enthielt auch die Werke Descartes's
über die Welt (Kosmos), die er bereits 1633 herausgeben wollte. In diesem Buch
brachte er ein grandioses Programm zum Schaffen von Theorie der Natur for. Seine
methodologische Regel heißt es, nur klare und einfache Thesen als Basis der
Theorie annehmen.
Die philosophischen Ansichten von Descartes sind bei weiten nicht klar und
einfach. Seine philosophische Weltanschauung ist dualistisch. Nach Descartes ist
die Materie nicht so ein Stoff, sondern eher eine Ausdehnung und ein Raum. Der
Materialraum fülle die ganzen maßlosen Länge, Breite und Tiefe des Weltalls aus.
Die Materieteilchen seien im Zustand der ununterbrochenen Bewegung. Im
Gegensatz zu mittelalterlichen Vorstellungen über die Endlichkeit der Welt und
über die qualitativen Vielfältigkeiten der Naturerscheinungen behauptet
Descartes, der Materialraum (der Raum) unendlich, gomogen und bis Unendlickeit
teilbar sei. Der Weltraum, nach Descartes, hat keine leeren Räume. Jedes
Teilchen, so Descartes, ist eine inerte und passive Masse. Die Bewegung entsteht
immer als Ergebnis eines Stoßes, der ein Körper einem anderen gibt.
Hier sind die von Descartes formulierten "Grundregeln" der Wechselwirkung der
Materieteilchen:
“Die erste Regel besteht darin, dass
jedes Materieteilchen im einzelnen immer in einem und demselben Zustand
bleibt, bis die Begegnung mit anderen Teilchen die Änderung dieses Zustandes
hervorruft”.
-
“Die zweite Regel, wie ich es annehme, ist so: wenn ein Körper
mit einem anderen zusammenstößt, kann er ihm nur soviel Bewegung geben, wie er
selbst gleichzeitig verliert. Und umgekehrt: ein Körper kann soviel von Bewegung
einem anderen Körper entnehmen, wie er an seiner eigenen Bewegung zunimmt ”.
-
“Als dritte Regel möchte ich hinzufügen: obwohl der Weg der
Körper bei der Bewegung am meisten eine Kurve darstellt und man keine Bewegung
produzieren kann, die nicht einigermaßen kreisförmig wäre, strebt dennoch jedes
der Körperteilchen im einzelnen, den Körper nach der Gerade fortzusetzen”.
Aus diesen "Regeln" ersieht man üblicherweise eine Formulierung des
Trägheitsgesetzes und des Gesetzes der Impulserhaltung. Zum Unterschied von
Galilei konzentriert Descartes seine Aufmerksamkeit nicht auf der Wirkung der
Gravitation, die er auf die Bewegung und die Wechselwirkung der Teilchen
zurückgeführt hatte. Er erwähnt nebenbei die geradlinige Inertialbewegung. Aber
Descartes sagt nicht von dem Zustand der gleichmäßigen und geradliniger
Bewegung, wie es bei Newton formuliert wurde, sondern überhaupt von dem Zustand,
ohne den Inhalt dieses Begriffs zu erläutern. Den Zustand der Materieteilchen
kennzeichnet Descartes durch ihre Größe, Form, Geschwindigkeit der Bewegung,
sowie durch die Fähigkeit, diese Geschwindigkeit unter Einwirkung von äußeren
Teilchen zu ändern. Diese Fähigkeit und die Trägheit kann man leicht einander
gleichsetzen. Descartes schrieb: "Man kann mit der Sicherheit behaupten, dass
ein Stein die Form oder die Geschwindigkeit seiner Bewegung nicht gleichermaßen
ändert, falls er sehr schnell oder falls er sehr langsam bewegt." Wenn man die
moderne Sprache spricht, behauptet Descartes hier, dass die Trägheit eines
Körpers von seiner Geschwindigkeit abhängt. In Descartes's Briefen kommt die
Formulierung des Trägheitsgesetzes vor, die fast wörtlich mit Newtons
Formulierung übereinstimmt, obwohl das Fachwort "Trägheit" natürlich fehlt.
Descartes meinte, das Wesen der Bewegung so sei, dass sich der bewegende
Körper solange mit gleicher Geschwindigkeit und geradelinig bewege, bis er von
irgendeinem anderen Grund zum Stehen oder zur Abweichung gebracht werde. Aber
allgemeiner Grund der Bewegung, nach Descartes's dualistischer Konzeption, sei
Gott, der die Materie mit der Bewegung und dem Ruhezustand zugleich geschaffen
habe und das alles aufbewahre. Ist diese Behauptung nur ein Versuch von
Descartes, seine wirkliche Weltanschauung von der katholischen Kirche zu
verheimlichen oder widerspiegelt sie seine wirklichen Ansichten? Aller
Wahrscheinlichkeit nach ist beides möglich.
Auch die Descartes's Lehre über den Menschen ist dualistisch. Mensch sei eine
reale Verbindung des seelenlosen und des leblosen Körpermechanismus mit der
Seele, die das Denken und den Willen besitzt. Die Wechselwirkung zwischen der
Seele und dem Körper erfolgt, nach der Descartes's Annahme, mit Hilfe eines
Sonderorganes, der sogenannten Zirbeldrüse. Der menschliche Leib (auch Leib der
Tiere) ist, nach Descartes, nichts mehr als ein komplizierter, aus den
materiellen Elementen geschaffener, Mechanismus, der die komplizierten
Bewegungen ausführen kann. Die Bewegungen sind die Folgerungen der mechanischen
Einwirkung auf den Leib seitens der umgebenden Gegenstände.
Unter den philosophischen Fragen, die Descartes ausarbeitete, war die Frage
von Erkenntnismethode die wichtigste. Deskartes, genau so wie Francis Bacon, war
der Meinung, dass die Endaufgabe der Kenntnisse darin besteht, die Herrschaft
des Menschen über die Naturkräfte zu ermöglichen.
Die Kenntnisse müssen dem Menschen helfen, die neuen technischen Mittel zu
erfinden, die Gründe und Wirkungen zu verstehen, sowie die menschliche Natur
selbst zu vervellkommnen.
Ausgangspunkt der philosophischen Überlegungen von Descartes ist der Zweifel
über die Wahrhaftigkeit des allgemein anerkannten Wissens. Der Zweifel umfängt
alle Wissenszweige. Aber der Zweifel ist keine Überzeugung eines Agnostikers,
sondern (genau so wie bei F. Bacon) ein vorläufiges methodisches Verfahren. Man
kann zweifeln daran, ob die sichtbare Welt existiert und sogar daran, ob mein
eigener Leib existiert. Jedenfalls aber existiert mein Zweifel. Und der Zweifel
ist ja ein der Akte des Denkens: ich zweifle, da ich denke, also existiere
ich. Oder kürzer: "Ich denke, also bin ich". Diese Behauptung wird oft
zitiert französisch
: "Je pense, donc je suis" und lateinisch: "Cogito,
ergo sum."
In der Lehre über Erkenntnis war Descartes der Begründer des Rationalismus,
der sich als Ergebnis von Beobachtungen über die logische Eigenschaft des
mathematischen Wissens bildete. Die mathematischen Wahrheiten, nach Descartes,
sind absolut zuverlässig, sie besitzen die Allgemeinheit und die Notwendigkeit,
die aus der Natur des Intellektes folgen. Deshalb hat Descartes der
Deduktionsmethode ausschließlich große Bedeutung beigemessen. Das Wesen der
Methode besteht darin, dass verschiedene zuverlässige logische Schlußfolgerungen
aus der wenigen Zahl von den ganz zuverlässigen Ausgangsgrundsätzen und Thesen
festgestellt werden. Die Methode der Deduktion entstand bereits im Alten
Griechenland, ober erst in Werken von Descartes wurde diese Methode in Anwendung
auf die Naturwissenschaft ausführlich ausgearbeitet.
Auch die Induktion hat Descartes nicht abgesprochen. Er verstand sehr gut die
große Bedeutung von Erfahrungen, die als Mittel zur Erkenntnis und als Kriterium
der Wahrheit dienen.
Die Lehre von Descartes, sowie die philosophische und naturwissenschaftliche
Richtung, die seine Ideen fortsetzte, bekam in der Wissenschaftsgeschichte die
Benennung "Cartesianertum" (von lateinischer Aussprache des Descartes's Namens -
Cartesius). Diese Lehre übte einen wesentlichen Einfluß auf die nachfolgende
Entwicklung von Physik und Philosopie aus. Die Descartes's Lehre über die
unmittelbare Zuverlässigkeit des Selbstbewußtseins, über angeborene Ideen, über
den intuitiven Charakter der Axiome, über den Gegensatz des materiellen und des
idealen ist zur Stütze für Idealismus geworden. Andererseits sind die
Descartes's Lehre über die Natur und seine allgemeine mechanistische Methode zu
einer der Etappen der materialistischen Weltanschauung der neuen Zeit geworden.
Als Haupt der philosophischen Schule bemühte sich Descartes die offizielle
Anerkennung seiner Philosophie in Europa. Er wollte, dass seine Philosophie in
den Jesuitenschulen unterricht werden kann. Es ist nicht bekannt, in welchem
Maße das dem Descartes gelungen war, weil in jener Zeiten die revolutionären
Ereignisse in Europa begonnen haben.
1648 wurde Descartes nach Paris eingeladen. Das war seine dritte Reise nach
Frankreich im Zeitraum seines Aufenthalts in Holland. Die ersten Besuche (1644
und 1647) waren den Sorgen um die Erbschaft gewidmet.
Die Freunde von Descartes haben für ihn bei dem Kardinal Masarini die Rente
in der Höhe von drei tausend Livre erwirkt. Im Mai 1648 hat Descartes der zweite
königliche Erlaß erhalten, der eine neue Rente für ihn festsetzte. Der Erlaß
enthielt auch die Einladung nach Paris, wo irgendeine wichtige Dienststellung
für Descartes bestimmt wurde. Descartes kam nach Paris, aber am 27. August
entstanden die Barrikaden auf den pariser Straßen, und Descartes kehrte eilig
nach Holland zurück.
Die Descartes's Zeitgenossen haben ihre Erinnerungen an seine
Personeneigenschaften hinterlassen. Descartes war froh und lebhaft nur im
Kreise der nahen Leute. In der großen Gesellschaft war er schweigsam und
mißgelaunt, wie es oft bei den Leuten, die die einsame Lebensart führen, der
Fall ist. Die Descartes' Beziehungen zu nahen Leuten waren widerlich. Er
verstand nicht, die anderen zu lieben. Er verstand nicht, seine zahlreichen
Verehrer und Freunde zu schätzen. Er war hochmütig und arrogant im Kreise von
seinesgleichen und verwandelte sich sofort in einen schmeichlerischen und
liebedienerischen Höfling, als er sich den hohen Herrschaften näherte. Descartes
hat solch einen, mit Verlaub zu sagen, Aphorismus ausgesprochen: "Die
Persönlichkeiten von hoher Herkunft brauchen es nicht, das reife Alter zu
erreichen, um an der Gelehrsamkeit und der Tugend den übrigen Menschen überlegen
zu sein".
Und jetzt kurz über die letzen Jahre des Descartes' Lebens. 1649 bekam er von
seiner Verehrerin, der schwedischen Königin Christina, eine Einladung, "das Land
der Bären zwischen Felsen und Eismassen", wie Descartes sagte, zu besuchen. Im
Oktober 1649 kam Descartes nach Stockholm. Die Königen Christina hat
versprochen, dem Gelehrten den Titel des Adligen des schwedischen Königreichs zu
verleihen und ein großes Landgut in Pommern zu schenken. Descartes gab der
Königin die Zustimmung, seine Philosophie in Schweden zu unterrichten,
ungeachtet seiner schwachen Gesundheit und des nicht jungen Alters. Bei alledem
hat die Königen den Unterrichtsbeginn am frühen Morgen (5.00 Uhr) bestimmt.
Etwas schlimmeres könnte für Descartes nicht sein! Noch in der Jesuitenschule
erlaubten ihm seine Erzieher, wegen seiner schwachen Gesundheit, aus dem Bett
spät genug aufzustehen. Nun aber wurde Descartes gezwungen, sich im rauhen
nördlichen Winter bereits vor der Morgendämmerung nach dem Konigspalast zu
begeben.
Dabei musste er jedes mal durch die lange, von allen Seiten mit dem eiskalten
Wind durchgeblasene Brücke fahren. Bald erkältete sich Descartes und erkrankte
an Lungenentzündung. Die schwere Krankheit dauerte nur acht Tage. Am 11. Februar
1650 ist Descartes gestorben.